Gerry mahnte zur Eile - zur Besichtigung von Goodwood House, der Residenz des Earl of March, mußten wir geschlossen ankommen. Runter vom Hotelparkplatz, gleich wieder links durch ein Tor in den privaten Teil des Parks, dann einige Zeit Parklandschaft, schließlich das Herrenhaus selbst: Ein breiter, hellgrauer Bau des späten 18. Jahrhunderts mit einem - so schien es - achteckigen Grundriss. Genaues Hinsehen ließ für ein vollständiges Achteck dann aber doch immerhin fünf Flügel vermissen.

Allerdings hatten es die verbleibenden drei Flügel in sich: Die Kunsthistorikerin des Earl begrüßte uns, bevor wir in zwei Gruppen auf englisch und deutsch durch die Räumlichkeiten geführt wurden. Eine Renovierung des ersten Saales war erst kurz zuvor abgeschlossen worden. Auslöser dafür sei die Seidentapete gewesen, so wurde uns erklärt, denn die alte habe nach 150 Jahren doch etwas schäbig ausgesehen. Die neue Tapete war eine perfekte Kopie der alten, handgemacht von einem der letzten englischen Hersteller.
Einige Photographien im nächsten Raum dokumentierten die Nähe zum Königshaus, ein eigenes Zimmer war schließlich dem Familienporzellan vorbehalten, das ein Vorfahre des Earl nach eigenen Entwürfen bei Sèvres in der Nähe von Paris hatte anfertigen lassen. Einige wenige Stücke Porzellan kamen zur Freude unseres sächsischen Teams Ute Erdmann/Thomas Gabel aber auch aus Meißen. Nach dem Tee im angrenzenden Raum zog es uns jedoch immer stärker in Richtung Motor Circuit, der hauseigenen Rennstrecke des Earl.

Kurzfristig hatte Gerry erreicht, daß wir die Rennstrecke befahren durften. Gleich nach unserem Eintreffen erschien das Streckenfahrzeug (ein Landrover!) und führte uns über die erste Runde. Eine zweite durfte jeder in eigenem Tempo absolvieren, was je nach Motorisierung und Umfang des Reisegepäcks recht unterschiedlich ausfiel.

Welches Auto auf eine Rennstrecke paßt, wurde jedem klar, der Vladimír Penizek und Jirí Sudík in ihrem (nachgebauten) T 30 Sport beobachtete. Schon auf englischen Landstraßen waren sie ja flott unterwegs...Ein bißchen Zeit zum Umsehen blieb uns noch an der Rennstrecke, aber für den Rest des Tages stand uns eine Etappe von etwa 130 km Länge bevor -

natürlich auf kleinsten Straßen. Der New Forest und ein nettes, persönliches Hotel in Lymington warteten auf uns.N ew Forest - naja, halt irgendein ausgedehntes Waldgebiet, denken Sie vielleicht. Nein, nein, weit gefehlt! Wald gab es zwar genug, aber dazwischen auch Ginsterbüsche und vor allem wilde Pferde. Ja, richtig, wilde Pferde. Überall, z.B. neben der Straße. Gut, werden Sie sagen, und? Aber auch auf der Straße standen sie. Und auf Kreuzungen. Sogar auf Tankstellen besuchten sie uns. Was also hat es mit diesem New Forest auf sich?


Der New Forest ist ein Jagdgebiet, das seit Zeiten Wilhelms des Eroberers bis heute der Krone gehört. Unberührt, wild, voller Pferde, etwa 375 qkm groß. Die Pferde gehören den commoners, etwa 300 Einheimischen, denen jahrhundertealte Privilegien, z.B. das Weiderecht, eingeräumt sind. Das Holz des New Forest diente lange dem Flottenbau. Heute kann das Gebiet durchwandert oder durchfahren werden, die Geschwindigkeit ist auf 40 Meilen beschränkt, und damit die Pferde nicht weglaufen, ist alles umzäunt. An den Zufahrten fährt man über Gitter, über die Pferdehufe nicht so gern gehen. Also auch hier keine Chance auszubüchsen.

 

 Versuche, das Gebiet unter Naturschutz zu stellen, scheiterten bisher an der Weigerung des Eigentümers, also der Krone. Kurzum: Stellen Sie sich einfach, sagen wir, den Klaus Pelikan beim Betanken seines T 613 vor, wie ihm dabei ein Pferd über die Schulter schaut. Das ist der New Forest!

 

In Lymington angekommen, wartete schon der nächste "Programmpunkt" auf uns: Lord Montagu hatte Gerrys Einladung zum gemeinsamen Abendessen angenommen! Lord Montagu entstammt einer alten, autobegeisterten Aristokratenfamilie, die seit jeher ihren Sitz im Londoner Oberhaus auch als Instrument der Interessenvertretung für die Oldtimerszene versteht. Nebenbei hat der Lord auf seinem Besitz ein großes Automuseum aufgebaut, und zwar schon so früh, daß ihm dafür eine Vorreiterrolle nicht nur in England zukommt.

 

Für die Begrüßung hatten wir vor dem Hoteleingang alle Tatras aufgefahren. Lord Montagu sah sie sich reihum an und unterhielt sich dabei mit den Fahrern. Das anschließende Abendessen gipfelte in Grußworten des Lord. Erwähnt sei noch eine Feinheit der Tischordnung: Neben das Mitglied des englischen Adels setzte Gerry mit Kurt Ziehbrunner einen Schweizer Eidgenossen...