Ein Tatra 603 ist ein seltsames Fahrzeug. Der optische Reiz ist stark genug um die Geschmäcker zu trennen. Die einen finden das Design überfrachtet und verquollen. Für die andere Gruppe ist er schlicht und einfach die sozialistische Antwort auf westliche Luxuslimousinen und damit der unbestrittene Gewinner.

MARIEBazaluvkaGewachsen ist mit dem Erwerb eines Zustand -4 Exemplares auch der Wunsch es in einen Neuzustand zu bringen. Wie schwierig es sei eine solche Karosserie zu restaurieren haben wir oft genug in der Szene gehört, persönlich kennengelernt haben jedoch niemand, der dies bereits komplett gemacht hat.

Unser Wagen war einst ein Werkswagen des Tatrabetriebes in Koprivnice. Ein ehemaliger Fahrer kannte das Fahrzeug und von ihm haben wir den Spitznamen übernommen, "Marie". Ansonsten gab es bei der Bestandsaufnahme nicht allzuviel Positives zu notieren. Baujahr 1958, jedoch mit der Front der Serie II, Motor und Sitze aus der dritten Serie. zum Glück waren alle Schalter und Intrumente der ersten Serie erhalten.


RECKCHEWir konnten letzendlich in Erfahrung bringen, dass "Marie" zu eine kleine Serie (ca 20Stück) vor der eigentlichen ersten Serie und nach den 5? Prototypen war. Von einem anderen Tatra-Testfahrer haben wir erfahren, dass 1958 eine tschechoslowakische Motokov-Delegation mit verschiedenen Skoda und Tatra PKW´s und LKW´s damit nach Ägypten gefahren ist um die dortigen Behörden von den Qualitäten dieser Podukte zu überzeugen. Warum nun die Ägypter keine Tatra 603 gekauft haben wird uns ein ewiges Rätsel bleiben.

"Maries" optischer Unterschied zur den allerersten Modellen war das 3-geteilte Scheinwerferglas und die Lufteinlässe hinter den vorderen Stosstangenhörnern. Abweichend zur späteren Serie sind die hinteren Radabdeckungen und die durchgehende Chromleiste an den Seiten und die kleinen Blinkleuchten vorne.

MARIEBodenNach Demontage aller Anbauteile und dem Sandstrahlen der Karosserie war das Einzige, welches in verwendungsfähigen Zustand überblieb, die Dachhaut. Alles, aber auch wirklich alles musste überarbeitet, ersetzt und nachgefertigt werden. Zeit und finanzieller Aufwand waren nach vier Jahren 2-3 mal so hoch wie angenommen. Die Blecharbeiten dauerten 18 Monate. Standardreparaturen wie Bodenblech, Radläufe, Kotflügel und Schweller waren weiters nichts Erwähnenswertes. Schwierig wurde es bereits bei den durchgerosteten hinteren Dreiecksfenster. Die Blechradien mussten alle per Hand nachgefertigt werden.

Der Knackpunkt war der Vorderteil. Nach dem Sandstrahlen wurde ein alter Frontschaden festgestellt, eine neue Front musste gespengelt werden. Beim Auftrennen des Kofferraumbodens an der Front und der dort 3-fach übereinander gebratenen Bleche (orginal) offenbarte sich das Disaster. Kein Stück Blech war noch zu verwenden. Das einzige Stück welches dort nicht ausgetauscht wurde war das senkrechte Blech hinter dem Tank.

MARIESchlauchDer absolute Tiefpunkt der Restaurierung war erreicht. Von diesem Bereichen hatten auch wir nach jahrelangen Sammeln kaum Orginalbleche und so musste fast alles nachgefertigt werden. Der Rubicon war damit überschritten und inzwischen stiegen die Restaurierungsansprüche nach dem Motto: "Wenn schon, denn schon". In den 50er Jahren waren Spaltmaße kein grosses Thema. Bei Tatra auch nicht und Spaltmasse bis zu 10 mm eigentlich normal. (Beim Nachfolgemodell, den Tatra 613 stieg die Toleranz sogar bis 20 mm !) So kam es zu dem vermessenen Anspruch bei allen Türen und Deckeln ein einheitliches kleines Spaltmass zu erzeugen. Da ja ohnehin alle Türhäute mit Türboden ab Mittelleiste nachgefertigt wurden, war das Spaltmass zuerst kein grosses Problem. Natürlich waren alle Türschaniere ausgeleiert und die Schliessmechanismen hinüber. Das Überarbeiten dieser Teile kostete eine Menge Zeit und Nerven, führte aber zu einen bis dahin nirgendswo vernommenen präzisen Schliessen der Türen. Da die Türen nun exakt schlossen, kamen die Blechteile wegen der fehlenden Luft in Kontakt. Da wir die orginalen Fertigungstoleranzen unterschritten hatten bedeutete dies eine Menge Probleme bei der Endmontage.

Die Lackarbeiten waren aufwendig. Wir hatten ein verblichenes Farbphoto aus den 50erJahren gefunden, welches die zweifärbige Lackierung eines 603-1 zeigte, von dem es auch ein orginales Gussmodell in 1:24 gibt.

Nach drei Probelackierungen waren wir uns über den Konturverlauf einig. Nachdem 40 kg Schleifkitt, 15 kg Spritzkitt verarbeitet waren, kamen 7kg Komponentenlack mit 5 kg Klarlack auf das nackte Blech. An manchen Stellen bis zu 14 Schichten.

MARIEhistorischMARIESpritzkittMARIE1Kontur

MARIEmotorprufMotorisch war das einzig echte Problem die Ansaugspinne der Serie1. Wir hatten zwar eine, die hatte sich aber bei der Vergaser-Vorwärmkammer aufgelöst und ein schwieriger Nachguss stand an. Die Nachfertigung der Schalldämpferanlage in Nirost brauchte 16m Rohre und eine Stange Geld. Mit den durchgeführten mechanischen Optimierungen am Motor waren wir auf dem Prüfstand sehr zufrieden.

MARIEoperDie Innenausstattung begannen wir mit einer soliden Geräuschisolierung. Darauf tapezierte eine echte Meisterin ihres Handwerkes in 8 Wochen Sitze und Verkleidung. Sämtliche Elektrik und Instrumente wurden erneuert, der orginale Lüftungsmechanismus hat konstruktionstechnisch bei Marie nie funktioniert und wurde neu aufgebaut. Die genaue Isolierung auch des Vorderbaus hat sich wirklich bezahlt gemacht und bewirkt nun ein ein zugfreies Inneres (haben wir noch bei keinem Tatra vorher erlebt - in der kalten Jahreszeit gabs auf der Autobahn immer kalte Zehen).

MARIEsitzEin großer Minuspunkt beim T603-1 ist für uns die vordere Sitzbank gewesen. Weder in der Länge, noch in der Neigung der Lehne verstellbar uns auf längeren Strecken unbequem. Der Einbau einer Verstellschiene war naheliegend, erforderte jedoch einen neuen Aufbau der Spiralfedern, da der Sitz für lange Menschen zu hoch war. In unserem Lager fand sich sogar eine orginale Ebersbächer Heizung, welche eingebaut wurde, in der Hoffnung dass diese störungsfreier arbeitet als die nachgebauten PAL-Heizungen.

MARIEfrontchromEndlich konnten wir auch die neuen Heckleuchten mit den Reflektoren montieren, welche wir vor Jahren auf einem Flohmarkt noch für wenig Geld erstanden haben. Auch die imposante Front konnten nun montiert werden. Der harte Orginalgummi der Scheinwerfergläser mit der Montage der Chromleiste brauchte 40 Stunden bis er passte.

So kamen die 5000 Stunden MARIEinnenzusammen und noch mehr zwei Kleinigkeiten fehlen: Der hintere Zigaretten-anzünder an der Rücklehne der Fahrerbank fehlte bei Marie. Durch die Polsterung ist der Anzünder nur 25mm kurz gebaut und bis jetzt haben wir noch nie einen solchen gesehen. Das Letzte was noch aussteht ist die Montage des Tesla Radios. Wir haben zwar das Modell mit den elfenbeinfarbenen Knöpfen, leider sind jedoch alle Radioröhren hinüber. Deshalb bleibt uns leider nichts anderes übrig, als nur den V8 hinter uns zu hören und zu spüren.

MARIEpusevni



- - danke für das Mitleid